Jahreslosung 2023

„Du bist der Gott, der mich anschaut.“

Das sagte Hagar, als sie vor Sarai und Abram geflohen war. Als sie alleine war, verstoßen, schwanger von Abram.

Allein war sie da, ohne einen anderen Menschen, ohne Schutz, ohne Vorräte. Abram lief nicht hinter ihr her, Sarai lief nicht hinter ihr her. Nur einer machte sich auf den Weg zu ihr, wie die Bibel erzählt: Ein Engel Gottes. Er fand sie in der Wüste an einer Wasserquelle. Er schickt sie wieder zu Sarai zurück, verheißt ihr aber erst noch, dass sie so viele Nachkommen haben wird, dass man sie gar nicht mehr zählen kann. Ihr Sohn, der noch in ihrem Bauch ist, soll der Stammvater dieser Massen sein. Der Engel trägt ihr auf, ihn Ismael zu nennen, das heißt „Gott hört“.

Und Hagar antwortet mit den Worten „Du bist der Gott, der mich anschaut“. Du, Gott, du erkennst die Not und die Einsamkeit und die Angst deiner Magd. Zu dir kann ich kommen in meiner Armut, in meiner Unvollkommenheit, du siehst mich. Aber noch mehr, du schaust mich an. Du siehst mir in das Gesicht, du siehst nicht nur oberflächlich, was ich mache. Du siehst meine Schwielen, meine ängstlichen Augen.

Denn du nimmst mich bewusst wahr, so wie ich bin. Mit all meinen Schwächen, mit all meinen Geheimnissen, mit allem, was ich habe und was ich nicht habe. Und ich muss mich nicht verstecken, ich muss mich nicht verstellen, ich muss nicht eine Maske tragen und meine Hand hinter meinem Rücken verbergen, um einen guten Eindruck auf dich zu machen.

Ihr Prädikant Roland Schmitt-Hartmann